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Die Stadt Bleckede und ihre Soldaten

Von Reinhard Böde
1981 – 1990 Major und Batteriechef  1./PzArtBtl 85

Bleckede im Jahre 1971. Der „grüne“ und „blaue“ Zoll veranstalten in der Zollhundeschule ihren jährlichen Ball. Mit dabei sind der damalige Bürgermeister Gabel, Stadtdirektor Neumann, Hauptmann Bordemann und Hauptfeldwebel Wilkens.

Die Stadt liegt direkt an der damals noch so genannten Zonengrenze. Auf der anderen Seite der Elbe ist für jedermann der Eiserne Vorhang in Form eines mächtigen, unüberwindlichen Zaunes sichtbar. Auch die Stadt ist geteilt. Vor der Teilung Deutschlands gehörte ein Teil auf der anderen Seite zu ihr.

Allen Bleckedern ist damals klar, daß Menschen dort durch ein unmenschliches Regime ihrer Freiheitsrechte beraubt werden. Man spürt das täglich und weiß, daß nur die Bundeswehr im Bündnis Frieden und Freiheit sichern kann. Im nahen Lüneburg liegen viele Truppenteile, auch das Panzerartilleriebataillon 85. Die beiden Soldaten auf dem Ball sind der Batteriechef und der Batteriefeldwebel der 1. Batterie des Bataillons.

Die Stadtoberen hatten von Patenschaften zwischen Städten bzw. Gemeinden und der Bundeswehr gehört, sie wünschten sich das auch für Bleckede. Weil man sich sofort gut versteht, verspricht man noch an diesem Abend, eine Patenschaft einzuleiten.

Da liegen aber Stolpersteine auf dem Weg. Bleckede liegt direkt an der Elbe. Es gibt auf Seiten der Bundeswehr einen Grenzerlaß, der es Soldaten verbietet, sich der Zonengrenze in Uniform näher als einen Kilometer zu nähern. Patenschaften auf Einheitsebene sind damit ausgeschlossen. Schnell findet man eine Lösung: Nicht die 1. Batterie übernimmt die Patenschaft, sondern das Unteroffizierkorps.

Der Rat der Stadt Bleckede beschließt einstimmig (!) die Aufnahme der Patenschaft und schon am 30. Oktober 1971 tauscht man in Lüneburg in der Theodor-Körner-Kaserne auf einem Gründungsball die Patenschaftsurkunden aus. An diesem Abend knüpfen die Soldaten und die Bleckeder Vereine, Verbände und Dienststellen die ersten Kontakte. Man verspricht sich gegenseitig, daß die Patenschaft zum Wohle beider Seiten beitragen möge.

Wir Soldaten waren darauf angewiesen, von den Bürgern gewollt und von ihrem Willen getragen zu werden, sonst hätte Verteidigung keinen Sinn. Und ohne jeden Zweifel ließen die Bleckeder uns das auf Schritt und Tritt spüren. Die Stadt nahm uns mit offenen Armen auf, wir Artilleristen wurden zu ihrem festen Bestandteil, wir gehörten einfach dazu.

Die Übernahme der offiziellen Patenschaft – nicht nur mit dem Unteroffizierkorps, sondern durch die gesamte Batterie – erfolgte dann 1987. Die Erlaßlage hatte sich geändert. Der Kommandeur der 3. Panzerdivision in Buxtehude erteilte auf Antrag der Stadt die Genehmigung.

Mit wem hatte Bleckede nun diese Patenschaft geschlossen? Wie schon erwähnt mit der 1. Batterie des Panzerartilleriebataillon 85, das wiederum der Panzerbrigade 8 in Lüneburg unterstellt war. Die Aufstellung erfolgte 1959 im damaligen Fliegerhorst, der späteren Theodor-Körner-Kaserne. Der Verband war zunächst mit 18 Panzerhaubitzen M 52 (105 mm) ausgerüstet, später mit der M 109 G, die ein Kaliber von 155 mm hatte. Über die gesamte Nutzungszeit wurde sie mehrfach leistungsgesteigert und umgerüstet. Bis zur Auflösung war es das Standardgeschütz.

Die 1. Batterie war die Stabs- und Versorgungsbatterie und für die Führung und Versorgung des Bataillons zuständig. Die Personalstärke betrug ca. 200 Soldaten, davon ca. 60 Unteroffiziere. Die Hälfte des Personals waren Wehrpflichtige. 1972 verlegte man in die Scharnhorst-Kaserne, um dann noch einmal in die Schlieffen-Kaserne umzuziehen.

Patenschaften sind leicht zu begründen. Viel schwerer ist es, sie mit Leben zu erfüllen. Hier zeigte sich die Beispielhaftigkeit dieser langen Patenschaft, die ja auf  beiden Seiten auch mit Mühen und Arbeit verbunden war. Auf Seiten der Batterie war die Überwindung vieler bürokratischer Hindernisse nötig, auf der Seite der Stadt das Engagement vieler Bürger. An einigen Beispielen soll das verdeutlicht werden.

Im Januar eines jeden Jahres veranstaltet der Schiffer- und  Fischerverein e.V. den jährlichen Ball. Es ist der feierliche Start in das neue Jahr. Harmonie- und Liedertafel  laden ein. Der Zoll veranstaltet ein Fest. Soldaten sind stets dabei.

Gäste aus Bleckede nehmen natürlich auch an  Festen in Lüneburg teil. Beim Maikäferball, den die Offiziere des Bataillons veranstalten oder bei den Unteroffizierbällen der Batterie.

Bei den jährlichen Vergleichsschießen auf der Standortschießanlage in Wendisch-Evern kämpfen  Bleckeder und Soldaten um Pokale.  Man lernt hier die Handwaffen der Bundeswehr kennen. In Bleckede stellen die Schützen ihre Waffen zur Verfügung. Lehrvorführungen und Artillerieschießen in Munster werden besucht.

Die Schützenfeste der Schützengilde Bleckede und der Barskamper Schützen finden nicht ohne Soldaten statt. Unvergessen der jährliche Empfang des Schützenkönigs im Schloß, das Bürgermeisterfrühstück, der anschließende Marsch mit den Schützen durch die Stadt zum Rathaus. Dort wird von Soldaten Erbsensuppe serviert. Die Feldköche der Batterie haben sie zubereitet. Man erinnert sich an das Warten auf den Königsschuß auf dem Schützenplatz bei Blasmusik und unvergleichlich schöner Stimmung.

Senioren aus Bleckede besuchen die Batterie in Lüneburg, Soldaten organisieren Kindernachmittage in Bleckede. Biwakaufenthalte finden in Bleckede und Barskamp unter reger Beteiligung der Bürger statt. Es werden Wohltätigkeitskonzerte veranstaltet, bei denen das Heeresmusikkorps 3 aus Lüneburg aufspielt. Der Erlös kommt jeweils dem Roten Kreuz zugute. Kinderfeste werden veranstaltet, man organisiert Spiele und Geschicklichkeitsübungen.

Zu den Tagen der Offenen Tür strömen Bleckeder wieder nach Lüneburg. Am 4. Dezember eines jeden Jahres huldigt man der Heiligen Barbara. Ein einmaliges Fest in Lüneburg, auf das sich Bleckeder schon lange vorher freuen. Man reist per Bus an.

Die Gemeinde stellt 800 heimische Büsche, die Soldaten im Ortsteil Barskamp nach Abschluß einer Übung pflanzen. Soldaten helfen den Schützen in ihrer dienstfreien Zeit beim Dachdecken der neuen Schießhalle.

Auf dem Schützenplatz in Blecke legen die Rekruten des Standortes Lüneburg ihr Gelöbnis ab. Heeresmusikkorps und Großer Zapfenstreich  locken Besucherscharen an.Noch ei

ne wohl einmalige Begebenheit: Anläßlich des Biwaks der Batterie in Barskamp im Jahre 1987 erscheint ein kleinerer alter Herr und stellt sich dem Batteriechef vor. Man führt ein Gespräch, am Ende fragt der Besucher, auf welches Alter man ihn wohl schätzen würde. Der Batteriechef  tippt auf gut 80. Stolz meldete er: „Ich bin 99“! Zu Fuß hatte Hermann Brückert, so hieß dieser Besucher, den Weg in seinem stolzen Alter von Alt Garge nach Barskamp zurückgelegt. Ein Jahr später, an seinem hundertsten Geburtstag,  steht das gesamte Heeresmusikkorps 3 auf seiner Terrasse und bringt ihm ein Ständchen. Ein Choral wird gespielt, dann Preußens Gloria und andere Märsche. Dem Jubilar rollen die Tränen.

In den Jubiläumsjahren kommt man zusammen, um gemeinsam zu feiern. Das 10-jährige nimmt die Stadt zum Anlaß, der Batterie ein Fahnenband zu überreichen, das die Truppenfahne schmücken soll. Auch die folgenden runden Geburtstage werden festlich begangen.

Man knüpft nach und nach auch privat engere Bande, Freundschaften werden geschlossen, die heute noch stabil sind. Soldaten heiraten Frauen aus Bleckede. Bei Hafen- und Stadtfesten beteiligt sich  die Batterie mit einem Informationsstand. Mit viel Erfolg. Wehrpflichtige leisten  in der 1. Batterie ihren Wehrdienst, Unteroffiziernachwuchs kommt von dort. Enger können sich Beziehungen nicht entwickeln.

Als der Warschauer Pakt wie ein Kartenhaus zusammenbricht, fällt auch  der Eiserne Vorhang. Weihnachten 1989 öffnen sich die Tore im Zaun auf der anderen Seite der Elbe, als dort eine provisorische Fähre anlegt. Die politischen Verhältnisse änderten sich beinahe über Nacht so stark, wie es wohl niemand für möglich gehalten hatte. Die militärische Bedrohung bestand nicht mehr.

Als Folge wurde die Bundeswehr reduziert. In der zweiten Phase der Auflösung von Truppenteilen trifft es auch die 85er. Am 27. September l996 findet ein Appell auf dem Schützenplatz statt, bei dem sich die Soldaten aus ihrer schönen Patenstadt Bleckede abmelden. Hier endet die Geschichte der 1. Batterie und damit auch eine wunderbare Patenschaft, die 35 Jahre Bestand hatte. Trauer war auf beiden Seiten angesagt. Geblieben sind Freundschaften und die Truppenfahne mit dem Fahnenband der Stadt Bleckede, die heute einen Ehrenplatz im Rathaus hat.